Im Dom zu Fulda lauerte die Angst. Ich wusste nicht, dass sie mich
dort hinterrücks anfallen würde. Ich dachte, das ganze würde ein
ganz normaler Kirchenbesuch werden: mit buntem Kreuz, mit
Kanzel, Taufbecken und Empore für den Chor. Stattdessen
erwartete mich ein dunkles Kirchenschiff mit vielen kalten
Bänken. Mit meinen Kinderaugen blickte ich mich um. Hier war es
so gar nicht gemütlich.
Doch da … was war das? „Warum sieht der Mann da so komisch
und dünn aus?“ Ich schaute zu meinem Vater hinauf. „Das ist ein
Epitaph, eine Grabesschrift. Und der dürre Mann ist ein Toter.“
- „Ein toter Mensch? Ja, müssen denn Menschen auch sterben,
Papa?“ Mein Vater nickte.
Ich war erschüttert. Dass Tiere sterben müssen, war mir bekannt.
Erst vor wenigen Wochen hatte mein Hase „Pünktchen“ tot in
seinem Stall gelegen. Er war schwarz bis auf ein weißes Pünktchen
zwischen seinen Augen. Ich liebte meinen Hasen.
- Dass wir Menschen auch irgendwann einmal tot wie ein Tier
liegen würden, erfuhr ich im Dom zu Fulda das erste Mal.
Von da an schlief ich eine Woche lang nur bei elektrischem Licht.
Ich fürchtete mich im Dunkeln, ich fürchtete mich vor dem Tod.
Nach einer Woche kam sie dann, meine erste Nacht, die ich
wieder ganz normal ohne Nachtlicht schlief.
Ich dachte nicht mehr über das Sterben nach und hing mit
meinen Gedanken dem Leben an.
Doch die Erschütterung über das Sterben blieb - bis heute.