1. Computergestützte Knochensegmentnavigation
2. Markerlose Patientenregistrierung
1. Computergestützte Knochensegmentnavigation
Die präzise Rekonstruktion komplexer und ausgedehnter
Knochenfehlstellungen ist eine Herausforderung für jeden
Unfallchirurgen und plastischen Chirurgen. Solche
Knochenfehlstellungen können angeboren oder aber auch
Folge eines Unfalls sein. Das Durchtrennen des Knochens (die
sogenannte Osteotomie) und sein Wiederaneinanderfügen in
korrekter Position (die Osteosynthese nach
Umstellungsosteotomie) sind erforderlich, um eine regelrechte
Funktion von Gelenken und Organen wiederherzustellen. Im
Bereich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie spielt die
Umstellungsosteotomie darüberhinaus auch in Hinblick auf
Form und Ästhetik des Gesichts eine tragende Rolle.
Umstellungsosteotomien werden vor einem Eingriff am
Patienten präzise im Labor simuliert; dennoch gab es bislang
keine Möglichkeit, eine solche Operationsplanung exakt auf
den Patienten zu übertragen.
Zusammen mit Carl Zeiss Oberkochen wurde ein vollkommen
neues, patentiertes Navigationssystem entwickelt, das erstmals
sowohl eine computergestützte Simulation von
Umstellungsosteotomien als auch eine präzise intraoperative
Navigation osteotomierter Knochensegmente zur Übertragung
eines Operationsplans auf den Patienten ermöglicht und sich
damit von der bisher üblichen einfachen
Instrumentennavigation löst.
Technische Grundlagen
Die Entwicklung des SSN erfolgte am Klinikum der Universität
Regensburg mit Unterstützung durch Carl Zeiss Oberkochen.
Der Surgical Segment Navigator basiert auf einem
dreidimensionalen Infrarot-Lokalisationssystem, mit dem eine
Orientierung und Bewegung von Knochensegmenten während
einer Operation aufgezeichnet werden kann. Die Daten werden
auf einer Microsoft Windows NT 4.0 Workstation auf einem
Hewlett Packard LD Pro Netserver verrechnet und graphisch
und numerisch wiedergegeben. Die Software der SSN-
Workstation wurde mit den Programmierwerkzeugen des
Microsoft Visual Studio 6.0 entwickelt.
SSN im Operationssaal
Operationsplanung mit LUCAS
Intraoperative Navigation
Schemazeichnung von SSN
2. Markerlose Patientenregistrierung
Eine weitere Entwicklung ist das Nachfolgenavigations-
system SSN++, das eine Registrierung der Patientenposition
anhand eines Laserscans des Gesichtsweichteilmantels
vornehmen kann.
Für einen computergestützten Eingriff ist eine Korrelation
zwischen Operationssitus und Bilddatensatz (CT, MRT)
erforderlich. Zu diesem Zweck werden üblicherweise
künstliche Registriermarker verwendet. Diese werden vor der
Erhebung des Bilddatensatzes am Patienten angebracht
und müssen bis zum operativen Eingriff
unverändert in situ bleiben. Dieses Vorgehen ist im
klinischen Alltag mit einem hohen logistischen Aufwand
verbunden. Mitunter muss - wenn bereits ein erstes
markerloses Übersichts-CT eines Patienten existiert - ein
zweites CT angefertigt werden, bei dem die Registrier-
marker installiert sind. Solch eine Situation ist mit einer
unerwünschten zusätzlichen Strahlenbelastung für den
Patienten verbunden.
Aus diesem Grund ist es anzustreben, die markerbasierte
Patientenregistrierung ganz zu verlassen. Die Registrierung
mittels anatomischer Landmarken - beispielsweise der
Nasenspitze oder des Tragus am Ohr - bildet dabei jedoch
nur eine schlechte Alternative, da das exakt reproduzierbare
Wiederauffinden solcher Landmarken im Operationsfeld und
dem Bilddatensatz schwierig bis unmöglich ist.
Eine gute Alternative stellt die Referenzierung über
anatomisch vorgegebene Flächen dar. Daß die markerlose
Flächenreferenzierung anhand knöcherner Strukturen sehr
gute Ergebnisse liefert, konnte bereits in früheren Unter-
suchungen mit dem Surgical Segment Navigator SSN
gezeigt werden (siehe oben).
Ob ein Verlegen der Flächenregistrierung aus der Etage der
Knochenoberfläche in die Etage des darüber liegenden
Weichteilmantels möglich ist, ohne die Präzision
einer Datensatzkorrelation zu verringern, war jedoch bislang
nicht untersucht worden: Knochen ist eine invariante
Struktur, die sich in einem Datensatz und in
einem Operationssitus mit identischer Geometrie darstellen
kann. Der Weichteilmantel des Gesichts kann jedoch - in
Abhängigkeit von Lage und Muskeltonus - prinzipiell
Verschiebungen aufweisen. Ob auch trotz dieser
Verschiebungen eine präzise Referenzierung zwischen
Datensatz und Operationsfeld möglich ist, war Gegenstand
zahlreicher Studien.
Für die laserscanbasierte Referenzierung wurde der Surgical
Segment Navigator SSN um einen Minolta 3D-Scanner VI
900 erweitert. Sämtliche Softwareergänzungen wurden mit
der Entwicklungsumgebung des Visual Studio 6.0 von
Microsoft vorgenommen. Die SSN++ Workstation basiert auf
einem Pentium 4 Prozessor mit einem Microsoft Windows
XP Betriebssystem.
In den Studien wurden konventionelle röntgensichtbare
Marker am Patienten angebracht. Diese Marker dienten zur
Evaluierung, nicht zur Registrierung. Die Position dieser
Evaluationsmarker wurde - nach markerloser Referen-
zierung der Patientenlage - mit einem Infrarotpointer
bestimmt. Die metrische Abweichung zwischen der
errechneten und der mit einem Pointer gemessenen
Markerposition wurde als Maß für die Genauigkeit der
markerlosen Registrierung gewertet. Die Marker wurden
nach dem Datenmatchen mit einer Genauigkeit von
durchschnittlich 1 mm aufgefunden. Damit konnte
nachgewiesen werden, daß mit dem SSN++ eine
markerlose Patientenregistrierung mit hoher Genauigkeit
möglich ist.
Weitere Studien beschäftigten sich mit der Kongruenz von
Grenzflächen in Computertomogramm und Laserscan sowie
mit alternativen Oberflächen zur Patienten-registrierung:
Oberkiefer, Unterkiefer und Ohrmuschel.
Schemazeichnung zum SSN++
SSN++ im Operationssaal
Operationssitus auf SSN++
Datenmatch von CT und Scan